Es war eine stille Entscheidung, beinahe unscheinbar, und doch sollte sie das Gesicht der Stadt verändern. Als in den 1970er-Jahren die alten Figuren der Grottenbahn ausgemustert wurden, verschwanden sie nicht achtlos auf dem Müll oder in dunklen Kellern. Stattdessen wanderten sie hinaus in die Welt – in Vorgärten, Innenhöfe und auf Terrassen von Linzer Familien. Dort, zwischen Geranien und Kopfsteinpflaster, fanden die kleinen Keramikgestalten ein neues Zuhause. Sie wurden nicht einfach abgestellt, sie wurden aufgenommen.
Plötzlich tauchten sie überall auf: ein Zwerg, der neugierig hinter einer Gartenmauer hervorlugte, einer, der unter dem Rosenstrauch Wache hielt, oder ein anderer, der schalkhaft in die Fenster der Nachbarschaft grinste. Sie brachten ein Stück Magie aus der Unterwelt des Pöstlingbergs in den Alltag der Menschen, und Kinder begannen, mit ihnen Geschichten zu erfinden. Kein Spaziergang durch die Stadt glich dem anderen, wenn irgendwo in einem Hof ein bekanntes Gesicht aus der Kindheit plötzlich wieder auftauchte.
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Für viele wurden diese Zwerge zu kleinen Familienmitgliedern. Manchmal bekamen sie frische Farbe, wenn ihre roten Mützen verblassten, manchmal wurde ihnen ein Platz mit Blumen geschmückt, und zu Weihnachten standen Kerzen neben ihnen. Sie waren Erinnerung und Geheimnis zugleich – Zeugen einer Zeit, in der die Grottenbahn noch ein dunkles, schimmerndes Reich voller Wunder war, in dem der Drache Lenzibald schnaufend seine Kreise zog.
Und doch war ihre Geschichte nicht beendet. Jahrzehnte später, als niemand mehr damit gerechnet hatte, tauchte einer dieser alten Zwerge plötzlich wieder an seinem Ursprungsort auf. Wie von Geisterhand stand er vor der Grottenbahn, als hätte er den Weg allein zurückgefunden. Niemand konnte erklären, wie er dorthin gelangt war, doch die Linzer wussten sofort: Das war keine Rückgabe, sondern eine Heimkehr. Der kleine Wächter wurde liebevoll restauriert und durfte wieder an seinen angestammten Platz im Reich der Grotten ziehen.
Es ist diese Mischung aus Märchen und Realität, die die Geschichte so einzigartig macht. Die Grottenbahn ist längst ein Wahrzeichen, ein Ort, an dem Generationen von Kindern staunend durch das Zwergenreich spazierten. Aber es sind die verstreuten Figuren in den Gärten und Höfen der Stadt, die ihr eine zweite, geheimnisvolle Seele verleihen. Sie leben weiter in den Geschichten der Familien, die sie hüten wie Schätze, und in den Augen der Kinder, die sie anschauen, als könnten sie jeden Moment zum Leben erwachen.
So bleibt Linz verbunden durch ein unsichtbares Band aus Magie und Erinnerung: die Stadt oben, die Grottenbahn im Innern des Berges – und dazwischen die Zwerge, die wandernden Hüter einer Kindheitstradition, die nirgendwo sonst existiert. Manche warten still in den Gärten, andere haben heimgefunden, und alle tragen sie das gleiche Versprechen in sich: dass Märchen niemals verschwinden, solange jemand an sie glaubt.
