In der Abenddämmerung, wenn der Himmel sanft ins Dunkel gleitet und die Luft eines alten Kirchenschiffs das Versprechen zeitloser Wunder birgt, erklingt etwas, das unter die Haut geht. In der Ignatiuskirche – auch genannt Alter Dom – schlägt das Herz der Orgel, an der Anton Bruckner einst stundenlang gespielt hat. Die Pfeifen, das Holz, die Luft – all das hat die Berührungen eines jungen Organisten gespürt, der später als Sinfoniker Weltruhm erlangen sollte. Und doch kehrt man in diesen Klang zurück: Die Orgel trägt den Nachhall jener frühen Bruckner-Momente, in denen der Klang selbst zum Gebet wurde.
Man tritt ein, und plötzlich füllen Wellen aus sanften Arpèggien den Raum, als sei jeder Stein kurz davor, zu lauschen. Die historischen Register, verfeinert im Dienst persönlicher Klangvisionen Bruckners, atmen romantisches Geheimnis. Und an einigen Stellen – vielleicht ist es Zufall, vielleicht Absicht – findet man geheimnisvolle Vermerke, wie „Lebe wohl“ in Bleistift, die stille Zeugnisse eines Abschieds sind, der zugleich der Anfang einer Legende war.
Wien entdecken – Wien kennen lernen
Wechselt man zum Brucknerhaus, tausend Schritte entlang der Donau, stößt man auf eine andere Orgel, modern und großartig. Seit 2018 erfüllt sie die Große Halle mit majestätischem Klang, wenn ihre tausenden Pfeifen zum Leben erwachen. Dort formt sich Musik in räumlichen Wellen, leise zu kraftvoll, zart zu erhaben – eine Symphonie aus Holz, Stahl und Resonanz. Und bei Orgelkonzerten – vielleicht einem Andachtsabend oder einem verspielten „Organ Music at Teatime“ – wird man Teil einer Klangarchitektur, die Bruckners Geist in modernen Hallen atmen lässt.
Stellen Sie sich vor: Sie sind allein, steht im sanften Licht der späten Stunde im Dom. Dann – ein Griff, ein Atemzug, ein Ton – und mit einem Mal ist Raum und Zeit aufgehoben: Ihre Seele schwebt zwischen den Pfeifen, in denen Bruckner seinen eigenen Klang gefunden hat. Später im Brucknerhaus öffnet sich der Saal, und die Orgel hebt an, als wolle sie das Tun und Lassen der Stadt, ihre Sehnsüchte und Hoffnungen, inkorporieren. Musik wird zur Landschaft, Klang zur Erinnerung und zum Jetzt zugleich.
Diese Bruckner-Orgelmusik ist mehr als ein Konzert. Sie ist eine Reise durch eine Seele, die großer Stille ebenso bedarf wie großer Kraft. Wer diesen Augenblick erlebt, trägt ihn fort – als Flüstern, das auch lange nach dem letzten Ton in der Brust weiterklingt.
