Unter den ehrwürdigen Mauern des Alten Rathauses von Linz, das seit Jahrhunderten den Hauptplatz beherrscht, rankt sich eine Legende, die so alt ist wie das Pflaster, auf dem Generationen von Händlern, Bürgern und Reisenden ihre Schritte setzten. Es heißt, tief in den Fundamenten, hinter vermauerten Gängen und unter dicken Steinplatten, ruhe ein Goldschatz von unschätzbarem Wert – ein Erbe aus einer Zeit, als Linz noch eine aufstrebende Handelsstadt an der Donau war und seine Bürger nicht nur mit Waren, sondern auch mit Sorgen handelten.
Die Geschichte beginnt im späten Mittelalter, als die Türkenkriege das Land erschütterten und selbst wohlhabende Kaufleute um ihre Sicherheit bangten. In einer Nacht, die in den Chroniken nur vage beschrieben ist, sollen mehrere einflussreiche Bürger zusammengekommen sein. Sie trugen schwere Truhen herbei, gefüllt mit Goldmünzen, fein gearbeitetem Silber und edelsteinbesetzten Schmuckstücken, und sie schworen einander, das Vermögen im Alten Rathaus zu verbergen – dem einzigen Ort, den sie für sicher genug hielten. Steinmetze verschlossen die Verstecke so geschickt, dass selbst die Eingeweihten sie später nicht mehr wiederfanden.
Über die Jahrhunderte hinweg wurde das Gebäude mehrfach umgebaut, doch die Legende hielt sich hartnäckig. Immer wieder erzählten Handwerker, sie hätten beim Ausheben von Fundamenten auf kleine Münzdepots gestoßen – alte Gulden, glänzende Dukaten, vereinzelt auch prunkvolle Schmuckstücke. Diese Funde waren wie ein Flüstern aus der Vergangenheit, ein Hinweis, dass der große Schatz tatsächlich existiert. Und doch: Der sagenumwobene Hauptschatz, das Herz der Geschichte, blieb unentdeckt.
Heute lockt die Erzählung nicht nur Historiker und Stadtführer, sondern auch Schatzsucher aus aller Welt. Manche glauben, der Schatz sei längst geborgen und in aller Stille verschwunden, andere sind überzeugt, dass er noch immer irgendwo hinter einer unscheinbaren Wand, unter einer Treppe oder tief unter den Pflastersteinen verborgen liegt. Wer das Alte Rathaus betritt, spürt vielleicht den Hauch des Unbekannten – ein leises Knistern, als würden die Mauern selbst ihre goldene Geheimniswacht halten.
Sollte der Schatz eines Tages gefunden werden, wäre es nicht nur ein Fund von immensem materiellem Wert, sondern ein Schlüssel zur Geschichte von Linz. Bis dahin aber bleibt er, wie es sich für eine echte Legende gehört, verborgen im Schatten der Geschichte – und beflügelt die Fantasie all jener, die durch den Hauptplatz gehen und hinaufblicken zu den ehrwürdigen Fenstern des Alten Rathauses.
